Förderbeispiel Kleingruppe: „Jeder bringt sich mit seinen Ideen ein“

Dienstags ist Gruppentag in der Autismusambulanz der Lebenshilfe Seelze. Kai Nowak, Jan Büthe und Marius Becker treffen sich am späten Nachmittag mit ihren Betreuern Christine Ricks und Constantin Fink in Wunstorf. In den zweistündigen Sitzungen geht es um die Stärkung sozialer Kontakte, um Eigenständigkeit im Alltag, um Freizeitaktivitäten – und vor allem um das Miteinander in der Gruppe.

Reportage aus dem Magazin Blickwinkel, Ausgabe 1/2019

Die Gemeinschaftsküche ist der Treffpunkt der Autismusambulanz in Wunstorf. „Wir starten immer mit einem kleinen Imbiss. Zum Ankommen und Runterkommen; es ist ein lockerer Einstieg in die Sitzung“, erklärt Lebenshilfe-Mitarbeiter Constantin Fink. Der Diplom-Sonderpädagoge förderte Nowak und Becker zuvor einzeln. „Das machen wir jetzt nur noch bei Bedarf“. Ebenso hält es seine Kollegin, Diplom-Sozialpädagogin Christine Ricks, mit ihrem Klienten Jan Büthe.

Nach dem Essen in den Therapieraum
Die drei jungen Männer sind Autisten. „Wir sind alle sehr unterschiedlich. Aber wir verstehen uns gut“, sagt Nowak, der gerne etwas mit anderen unternimmt. „Ja, wir sind eine lustige Gruppe. Jeder bringt sich mit seinen Ideen ein“, bestätigt Büthe und fügt hinzu: „Es ist besser, als nur alleine zuhause betreut zu werden.“ Nach dem Imbiss geht’s in den benachbarten Therapieraum. Gemütliches Sofa, Krökeltisch, Flip-Chart. Es geht entspannt zu. Welche Themen jeweils behandelt werden, wird gemeinschaftlich entschieden. „Vieles dreht sich um Eigenständigkeit im Alltag“, sagt Fink. Beispiel Wohnen: Kai Nowak berichtet, wie es ist, alleine zu leben. Der 23-Jährige ist vor kurzem von einer betreuten Wohngruppe in eine eigene Zwei-Zimmer-Wohnung in Hannover-Ahlem gezogen. Unterstützt wird er von seiner Familie und den Mitarbeitern der Ambulanten Diensten der Lebenshilfe. Büthe und Becker hören aufmerksam zu, beide wohnen noch bei ihren Eltern.

Kommunikation per SMS
Höflichkeit, Respekt und Wertschätzung prägen die Gesprächsrunden. Jeder hört dem anderen zu, man lässt sich ausreden. „Das fördert das Vertrauen, auch über sehr persönliche Angelegenheiten zu sprechen“, sagt Fink. Dabei hat jeder seinen eigenen Weg. Becker teilt sich auf seine Art mit; er schickt SMS an Constantin Fink. Der 21-Jährige spricht sonst nur mit seiner Mutter und kommuniziert über Hilfsmittel. „Eine Stärke der Gruppe ist es, dass sie diese Besonderheit als vollkommen selbstverständlich nimmt und geduldig wartet, bis Marius seinen Text verfasst hat“, sagt Ricks.

Selbstständigkeit wird gefördert
Gemeinschaft steht an erster Stelle. Zum Abschluss krökeln alle eine Runde. „Manchmal kochen wir auch zusammen und kaufen dafür gemeinsam ein“, erzählt Jan. „Einkäufe erledigen, Preise vergleichen, vernünftig mit dem Haushaltsgeld wirtschaften und sich eigenständig ein Essen zubereiten – auch das trägt ein Stück weit zur Selbstständigkeit bei“, betont Fink. Gelegentlich geht die Gruppe zum Bowling, Eis essen oder spazieren. „Für mich hat es sich gelohnt, Marius und Jan kennenzulernen. Wir haben sogar eine eigene WhatsApp-Gruppe“, sagt Kai. Die sozialen Kontakte und der Austausch in der Kleingruppen bereichern das Leben der drei jungen Männer. Marius‘ verschmitztes Lächeln spricht dabei Bände.