Neue Perspektiven: Marte Meo in der Frühförderung

Aziz hat eine Sprachentwicklungsverzögerung. Seit einem Jahr erhält der Dreijährige zweimal die Woche Frühförderung, abwechselnd in seiner Kita und zu Hause. Die Erfolge sind beachtlich – dank Marte Meo und der engagierten Mitarbeit der Eltern.

„Es ist schön, zu sehen, wie gut Aziz auf Marte Meo anspricht“, sagt Carola Ludowig vom Team der Heilpädagogischen Frühförderung. „Er hat sich wunderbar entwickelt. Auch und insbesondere, weil die Eltern mitmachen und bereit sind, unsere Empfehlungen anzunehmen und umzusetzen. Es ist kein riesengroßes Paket an pädagogischen Maßnahmen, vielmehr sind es „Kleinigkeiten“, die aber in der Anwendung vieles zum Positiven verändern können.“ Neben der Sprachentwicklung ist der Umgang mit Gefühlen – die Wahrnehmung, Benennung und Steuerung von Emotionen – ein weiterer Förderschwerpunkt. Der temperamentvolle kleine Junge hat Probleme mit der Impulskontrolle und Frustrationstoleranz

Was ist Marte Meo?

„Marte Meo ist eine videogestützte Beratungsmethode. Eltern und Kinder werden im Alltag gefilmt, etwa beim gemeinsamen Spielen. In der nächsten Förderstunde sehen wir uns ausgewählte Szenen an und analysieren die Situationen. Dabei wird der Blick darauf gelenkt, welche Fähigkeiten das Kind hat und was die Eltern gut machen. Es werden immer die positiven Handlungen hervorgehoben. Mit Marte Meo möchten wir Eltern dazu ermutigen, Entwicklungsprozesse bei ihrem Kind voranzutreiben“, erklärt Ludowig.

Bilder sagen mehr als tausend Worte

„Der Beziehungsalltag wird mit Marte Meo veranschaulicht. Die Eltern erhalten praktische Informationen, keine abstrakten wissenschaftlichen Erklärungen“, betont Ludowig. Der Einsatz der Kamera sei jedoch nur ein Aspekt von Marte Meo und vielfach erst der zweite Schritt, „Frühförderung läuft ja immer spielerisch ab. Wir puzzeln oder basteln, vertiefen uns in ein Holz-Memory oder rollen den Ball zu – schon dabei setze ich Marte Meo-Elemente ein. Ich folge in freien Spielsituationen immer der Initiative des Kindes. Aziz darf beispielsweise mitbestimmen, was wir spielen. Und ich biete ihm nur so viel Hilfe wie nötig. Ganz wichtig: alles benennen. Dadurch bestätige ich Aziz in seiner Aktion, gebe ihm Worte, für das, was er tut. Dazu gehört auch das korrektive Feedback; dabei wiederhole ich seine Äußerungen korrekt, ohne auf seinen Fehler hinzuweisen. Das Entscheidende ist, dem Kind inhaltliches Feedback zu geben, ihm also zu signalisieren: Ich habe dich verstanden. Und das, was du zu sagen hast, interessiert mich. Ferner ist es wichtig, die eigenen Handlungen zu benennen, wie Anfang und Ende von Aktionen. Beispiel: Noch eine Runde spielen, dann ist Schluss. Vorhersehbarkeit hilft dem Kind. Und: Handlungsalternativen aufzeigen. Der Kernpunkt ist, wie können wir auf Aktionen des Kindes, sei es auf der Handlungs-, Sprach- oder Gefühlsebene, so reagieren, dass es etwas dabei lernt.“

Fröhlich und entspannt spielt Aziz mit seiner Mutter und der Schwester; die drei haben es sich im Wohnzimmer auf dem Teppich gemütlich gemacht. Ein schönes Bild, eingefangen von der Kamera. Das Video zeigt, wie gut sich der Dreijährige entwickelt hat. Aziz drückt sich jetzt mit Worten aus, er spricht sogar schon die ersten Fünf-Wort-Sätze. „Er hat bereits deutlich besser gelernt, seine Umwelt wahrzunehmen und gut mit ihr in Kontakt zu treten, er kommuniziert, statt zu schreien“, sagt Ludowig. „Aziz wollte Kontakt mit anderen Kindern, er wusste nur nicht, wie er das machen soll. Das üben wir immer wieder.“ Und wenn den impulsiven Jungen doch mal die Gefühle überrollen, kommt er inzwischen recht schnell wieder in die Situation zurück. Seine Konzentrationsspanne steigt, er schenkt dem Memory-Spiel lange seine Aufmerksamkeit und ist danach mit Begeisterung dabei, am Papier zu reißen und es aufzukleben. Mit kleinen Stickern verziert Aziz das Kunstwerk – und schenkt es am Ende der Förderstunde stolz seiner Mutter.

 

Das sagt die Mutter:
"Die Fortschritte sind enorm"

 

„Vor knapp einem Jahr hat Aziz den Kindergarten gewechselt und mit der Frühförderung begonnen – seitdem ist alles deutlich besser geworden. Früher hat er gar nicht gesprochen. Aber noch mehr Sorgen hat uns sein Umgang mit anderen Kindern bereitet; in der Kita hat er viel gehauen und geschubst, sogar gebissen und getreten. Mit anderen Kindern hat er kaum gespielt. Durch den Kita-Wechsel und die Frühförderung fing Aziz plötzlich an zu sprechen. Sein Wortschatz wächst mit jedem Tag, die Fortschritte sind enorm. Er hört zu und versucht, sich zu äußern, inzwischen in ganzen Sätzen. Und er macht die Erfahrung, dass er mit Sprechen mehr erreicht als mit Hauen oder Schreien. Mittlerweile klappt es viel besser in der Gemeinschaft, er spielt mit Gleichaltrigen und weiß jetzt, wie er in Kontakt kommen und sich mit Worten ausdrücken kann. Die Frühförderung hilft ihm und uns als Eltern sehr. Insbesondere durch Marte Meo bekommen wir Anregungen, wie wir unseren Sohn noch besser unterstützen können. Es sind oft Kleinigkeiten, die auf den ersten Blick einfach erscheinen, aber sehr wirkungsvoll sind: zum Beispiel dem Kind die ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken, auf seine Aktionen einzugehen, viel mit ihm zu sprechen und alles zu benennen – Aziz Fortschritte zeigen, dass Marte Meo funktioniert. Darüber hinaus nutzen wir das Angebot der Elternberatung. Bald soll die Frühförderung auf insgesamt vier Stunden pro Woche erhöht werden, das ist gut.“