Frühförderung in Kitas

Hand in Hand zum Wohle des Kindes

Gekürztes Interview aus dem Magazin Blickwinkel, Ausgabe 1/2016

Das Team der Frühförderung der Lebenshilfe Seelze arbeitet seit vielen Jahren mit Regelkindergärten in Wunstorf, Neustadt, Garbsen und Seelze eng zusammen – und sind in deren Einrichtung tätig. Im Interview sprechen Ramona Mylius, Leiterin der Kindertagesstätte Lindenstraße in Seelze, die Erzieherin Regina Schütte, Thomas Dierssen, Leiter der Frühförderung der Lebenshilfe, sowie die Frühförderinnen Birthe Krüger und Julia Peth über Entwicklungen, positive Erfahrungen und gemeinsame Erfolge.

Frau Mylius, wie beurteilen Sie die Arbeit der Frühförderung und die Erfolge für das betreffende Kind?
„Manche Kinder haben vier Betreuungseinheiten wöchentlich, das bringt richtig was. Aber auch zwei oder drei Einheiten wirken sich auf die Entwicklung und/oder das Verhalten der Kinder sehr positiv aus. Natürlich sind die Fortschritte individuell unterschiedlich, je nach Entwicklungsstand des Kindes, das können klar sichtbare Erfolge sein oder auch kleine Schritte.
Einige Eltern hatten anfangs Angst vor Stigmatisierung. Aber wenn sie dann sehen, hier wird geholfen und gefördert, nimmt ihnen das die Sorge. Außerdem nehmen die Kinder – und zwar alle Kinder – die Frühförderung prima an. Es macht ihnen Spaß, sie sind motiviert und entsprechend gut bei der Sache.
Ob Erzieher, Eltern oder eben die Kinder, alle bewerten die Frühförderung sehr positiv. Wenn Kindergarten und Frühförderung zusammengreifen, im Idealfall auch noch die Kommunikation mit den Kinderärzten stimmt, dann ist das ein sehr wichtiges und hilfreiches Netzwerk rund um das Kind. Hilfreich für das Kind und die Eltern. Es kommt auch vor, dass die Frühförderung eine Überbrückung darstellt bis ein Platz in einer Integrativen Einrichtung oder einem heilpädagogischen Kindergarten frei wird.“

Apropos Kinderärzte, fallen die Kinder denn nicht schon bei den ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen auf?
Ramona Mylius: „Nach unserer Erfahrung scheuen sich die meisten Eltern, eventuelle Schwächen ihres Kindes beim Kinderarzt offen anzusprechen. Oder sie wollen die Auffälligkeiten gar nicht sehen und wahrhaben. Auf der anderen Seite zeigen sich die Ärzte oft noch zögerlich, ehe sie den Eltern zur Frühförderung für ihr Kind raten. Der Weg über die Kinderärzte zur Frühförderung klappt leider oft nicht.“

Thomas Dierssen: „Kinder- oder Hausärzte empfehlen tatsächlich eher selten Frühförderung. Leider. Die Mitarbeiter der Krippen und Kindergärten übernehmen eine äußerst wichtige Rolle. Die Erzieherinnen schauen oft sehr genau hin, beobachten die Kinder mit geschultem Blick, wägen ab und sprechen eben in einzelnen Fällen die Eltern auf einen eventuellen Förderbedarf an.

Wie viele Kinder der Kindertagesstätte Lindenstraße sind aktuell in der Frühförderung?
Birthe Krüger: „Zurzeit betreuen wir zwei Kinder hier in der Kindertagesstätte, einen zweijährigen Jungen und ein vierjähriges Mädchen. Das kann sich im Laufe eines Jahres aber auch ändern. Manchmal bekommen auch vier oder sogar mehr Kinder innerhalb der Einrichtung Frühförderung.“

Ramona Mylius: „Grundsätzlich ist festzustellen, dass es in den Regelkindergärten vermehrt Kinder mit erhöhtem Förderbedarf gibt – auch in der Krippe.“

Angenommen, die Erzieherinnen bemerken bei einem Kind Auffälligkeiten in der Entwicklung oder im Verhalten. Wie gehen Sie vor?
Ramona Mylius: „Wenn ein Kind nach unserer Einschätzung Förderbedarf hat, etwa weil es in seiner kognitiven, sprachlichen und/oder motorischen Entwicklung verzögert ist, autistische Züge zeigt oder sozial-emotionale Probleme auftreten, suchen wir zuerst das Gespräch mit den Eltern. Häufig sind viele Gespräche nötig, um die Eltern dafür zu sensibilisieren, dass ihr Kind womöglich Frühförderung braucht. Bei manchen Eltern müssen wir Überzeugungsarbeit leisten, bis sie sich darauf einlassen. Erst wenn die Eltern einwilligen, holen wir die Frühförderer ins Boot.“

Ein Mitarbeiter der Frühförderung nimmt dann eine erste Diagnostik vor?
Thomas Dierssen: „Ja, aber das Kind gewinnt dabei nicht den Eindruck, einem Test unterzogen zu werden. Wir bedienen uns kindgerechter Methoden, was für das Kind einem Spiel gleichkommt. Unsere Beurteilung und Empfehlung allein reicht allerdings nicht aus. Letztlich ist die Feststellung des Förderbedarfs in allen Fällen eine amtsärztliche Entscheidung.“

Was bietet die Frühförderung der Lebenshilfe Seelze?
Thomas Dierssen: „Wir bieten zum einen eine individuelle Förderung für das betreffende Kind, abgestimmt auf dessen Entwicklungsstand und Verhalten. Bei der Terminplanung berücksichtigen wir die Bedürfnisse der Familie. Wir betrachten die Familie und das Kind und schauen, welche Form der Betreuung in diesem speziellen Fall gut und machbar ist. Für viele Familien bedeutet es eine Erleichterung, wenn das Kind nach Hause kommt und hat die Förderung bereits im Kindergarten bekommen. Es ist ebenso gut und wichtig, das Kind im häuslichen Bereich zu erleben. Zumal es ganz wesentlich ist, dass die ganze Familie am Förderprozess beteiligt ist und die Hilfen in den Alltag übernimmt. Elternarbeit spielt für uns gleichsam eine wichtige Rolle. Wir sind für die Eltern als Zuhörer und Vertrauensperson da, begleiten die Eltern bei Bedarf zum Kinderarzt oder ins SPZ. Wir sind behilflich bei Anträgen, beraten aus unserer Sicht welche Therapiemaßnahmen sinnvoll sind und zeigen den Eltern Wege auf.“

Ramona Mylius: „Die von den Frühförderern geleistete Elternarbeit entlastet uns als Kindergarten. In den vergangenen Jahren sehen wir uns zunehmend mit der Situation konfrontiert, dass wir nicht nur die Kinder, sondern auch deren Eltern betreuen. Viele Eltern suchen Rat und brauchen Unterstützung beim Umgang mit ihrem Kind. Die Elternarbeit nimmt immer mehr Zeit ein.“

Und wie läuft die Frühförderung im Kindergarten ab?
Julia Kehlbeck: „Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Wir haben jeweils feste Termine mit unserem Frühförderkind. Dann schauen wir, welche Form der Betreuung gerade die Beste für das Kind ist, das ist durchaus situationsbedingt. Manchmal bleiben wir mit dem Kind in der Gruppe und begleiten es im Spiel mit den anderen. Wir sind dann in die Gruppenprozesse mit eingebunden, sei es beim gemeinsamen Frühstück oder einem Geburtstagskreis. Oder wir gehen mit unserem Frühförderkind in einen gesonderten Raum und machen dort mit ihm die spielerischen Übungen. Oft ist es sinnvoll, auch noch andere Kinder mitzunehmen und in einer Kleingruppe zu arbeiten.“
Birthe Krüger: „Wir können nur Anregungen geben, nicht heilen. Jedes Kind ist sein eigener Motor. Und wir sind immer nur ergänzend tätig. Die Eltern und das gesamte Umfeld des Kindes müssen mitarbeiten. “

Frau Schütte, entlastet die Arbeit der Frühförderer Sie als Erzieherin?
Regina Schütte: „Ja, unbedingt, für uns bedeutet die Arbeit der Frühförderer eine Unterstützung. Wir arbeiten sozusagen Hand in Hand und führen viele gute Fachgespräche. Es ist eine absolut förderliche Zusammenarbeit zum Wohle der Kinder. Denn wir wissen dadurch, wie wir Frühförderung im Kindergartenalltag leben können. Julia Peth und Birthe Krüger sind mittlerweile ein fester Teil des Ganzen, das hat sich sehr positiv entwickelt. Sie sind ein Gewinn für die Gruppen. Nicht nur für die Kinder in der Betreuung sind die beiden wichtige Ansprechpartnerinnen, auch für die anderen Kinder.“