Förderbeispiel Mike: „In kleinen Schritten geht’s voran“

Der 21-jährige Mike Sebesta ist einer von rund 20 jungen Frauen und Männer, die das Angebot der Lebenshilfe Seelze wahrnehmen. Sein Betreuer ist Constantin Fink. Ein Blick auf die Herausforderungen des Therapiealltags.

Bericht aus dem Magazin Blickwinkel, Ausgabe 1/2018

Mike Sebesta mag Körperkontakt. Er umarmt gerne, fordert Umarmungen geradezu ein. Etwa als Bestätigung, wenn er eine Übung gut gemeistert hat. In diesen Momenten sucht er auch den Blickkontakt. Der 21-Jährige ist aber oft unkonzentriert, wirkt abwesend. „Es ist schwierig, seine Aufmerksamkeit auf etwas zu lenken und ihn bei der Stange zu halten“, sagt Diplom Sonderpädagoge Constantin Fink, der sich auf die Arbeit mit erwachsenen Autisten spezialisiert hat. Immer wieder verfällt er in bestimmte, sich wiederholende Verhaltensweisen. Mike Sebesta ist atypischer Autist.

Routinen sind in allen Lebenssituationen wichtig
Fink betreut den jungen Mann aus Dedensen, der im Förder- und Betreuungsbereich der Lebenshilfe arbeitet, seit mehr als zwei Jahren. Zweimal pro Woche treffen sich die beiden in Seelze. Die Therapie folgt einem festen Muster. 20 Minuten Übungen. Pause. Entspannung. An einer großen Stoppuhr läuft die Zeit, zur Veranschaulichung. Nach ein paar Minuten fordert Sebesta oft schon die erste Pause. Oder eine Umarmung.

Eingeschränktes Ausdrucksvermögen
Kommunikation ist eine Herausforderung. Mike hat zwar ein hohes Sprachverständnis und kann gut lesen, verfügt jedoch nur über ein eingeschränktes Ausdrucksvermögen von einzelnen Wörtern. Als Hilfsmittel haben sich ‚Ja-/Nein-Karten‘ bewährt. Doch häufig schweifen seine Gedanken ab. „Es ist schwierig, Themen und Inhalte zu finden, die ihn interessieren, bei denen er zumindest kurzzeitig mitmacht“, sagt Fink.

Ziel: Spielerische Ansätze in den Alltag bringen
Auf Ballspiele mit „Kommandokarten“ spricht Sebesta gut an. Davon lässt er sich motivieren. Sie fordern zu Aktionen auf wie „Ball an die Decke werfen“ oder „Ball mit dem Kopf spielen“. „Diesen spielerischen Ansatz würde ich gerne in den Alltag übertragen“, sagt Fink. „Es wäre schon ein Erfolg, bestimmte Abläufe mit dieser Impulstechnik zu beschleunigen.“ Eine Weile ist Sebesta auch eifrig dabei, hat sichtlich Freude. Doch schon im nächsten Moment ist er wieder unkonzentriert und nicht länger zu einer Mitarbeit zu bewegen. Pause? Weitermachen? Für Fink jedes Mal ein schmaler Grat. „Mike kommt schnell an einen Punkt, an dem er komplett verweigert.“

Interesse an Politik, Geografie und Sport
Auch der Versuch, ihn mit einem Talker und eigens gestalteter Themenkärtchen wieder zum Schreiben zu motivieren, hat noch nicht den erhofften Erfolg gebracht. Früher verfasste Sebesta mit Hilfe des gestützten Schreibens längere Texte, vor etwa vier Jahren brach das aber ab. Auch Lesen ist für ihn wegen seiner Sprunghaftigkeit äußerst schwierig, dabei interessiert er sich sehr für Politik, Geografie und Sport, insbesondere für Wasserball. Die Entspannungsphasen gestaltet Fink als Lesezeit. Sebesta blättert in Zeitschriften, überfliegt die Artikel, ab und an bleibt sein Blick an einem Foto hängen.

Erfolge kommen in kleinen Schritten
„Mike steht sich oft selbst im Weg, er kann dann nicht über seinen Schatten springen“, sagt Fink. Der 21-Jährige verfällt schnell in seine Routinen. Gleichzeitig fordert er viel Aufmerksamkeit. Konzentriert und aufmerksam bei der Sache ist er nur zeitweise. „Aber die ersten Erfolge kommen, in kleinen Schritten zwar, aber sie kommen“, sagt Fink. „Mike ist flexibler geworden, kann mit Veränderungen besser umgehen. Insgesamt ist er auch erwachsener geworden.“ Fortschritte sind das eine, nicht minder wichtig sind der Spaß und das herzliche Miteinander. Bei den Therapiestunden wird viel gelacht. Applaus und Bestätigung gehören auch dazu. Und: natürlich eine Umarmung zum Abschied.